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Business Analyse: “Man muss das Implizite explizit machen”

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Interview mit Eric Riou du Cosquer

Die Business-Analyse (BA) ist eine wichtige Maßnahme, um den Erfolg eines Unternehmens nachhaltig zu sichern. Sie hilft UnternehmerInnen, Managern und Geschäftsverant-wortlichen dabei, die Strukturen und Prozesse eines Unternehmens bzw. eines Projektes besser zu verstehen und weiteres Optimierungspotenzial aufzudecken. Was bei der Durchführung einer Business-Analyse zu beachten ist und warum die BA so wichtig ist, hat das SQ-Magazin mit Eric Riou du Cosquer, TMMi Lead Assessor bei Certilog, besprochen.

SQ-Magazin:
Eric Riou du Cosquer, können Sie kurz erklären, was man unter einer Business-Analyse versteht?

Eric Riou du Cosquer:
Ja, natürlich! Die Business-Analyse ist ein ganz wichtiges Thema und sollte am Anfang eines jeden Projekts stehen – oder sogar vor dem Beginn eines Projekts durchgeführt werden. Das Ziel ist es, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und sie auf angemessene Weise zu dokumentieren.

So wird sichergestellt, dass am Ende die richtige Lösung geliefert wird. Leider wird die Business-Analyse oft vernachlässigt und Projekte beginnen, ohne dass klar ist, was Kunden und Endnutzer erwarten. Viele Leute gehen zu schnell vor und beginnen ein Projekt, ohne an die BA zu denken. Das kann am Ende zu schwerwiegen-
den Problemen führen, an denen ein Projekt scheitern kann.

SQ-Magazin:
Wer sollte eine Business Analyse durchführen?

Eric Riou du Cosquer:
Grundsätzlich ist es immer eine gute Voraussetzung, die Business-Analyse in Betracht zu ziehen. Denn sie wird oft vergessen und Projekte beginnen zu früh. Besonders Projektleiter und Unternehmensvertreter sollten an die Business-Analyse denken. An ihrer Durchführung sind viele Interessengruppen beteiligt: Der wichtigste Stakeholder ist der Business Analyst. In einem agilen Projekt kann der Product Owner gleichbedeutend mit einem Business Analysten sein und das Bindeglied zwischen den Geschäftsvertretern und dem Rest des Teams darstellen.

SQ-Magazin:
Welche Risiken haben IT-Projekte und warum scheitern sie so oft?

Eric Riou du Cosquer:
IT-Projekte können in Bezug auf die Business-Analyse einige Risiken aufweisen. Ein Risiko kann sein, dass der Kunde nicht weiß was er will, so dass er zwar etwas verlangt, aber am Ende nicht zufrieden ist – selbst wenn das geliefert wurde, was am Anfang ver-
langt wurde.

Ein weiteres Risiko besteht darin, dass der Kunde verschiedene Aspekte einer Lösung nicht kennt, z. B. die gesetzlichen Auflagen oder nicht-funktionale Merkmale wie
die Zugänglichkeit oder Leistung. Ein kritischer Punkt ist auch, wenn das IT-Team die geschäftlichen und gesetzlichen Anforderungen sowie Vorgaben nicht versteht, weil sie nicht korrekt dokumentiert wurden und die Anforderungen mehrdeutig sind. Natürlich können all diese Risiken auch zusammen auftreten und ein Grund dafür sein, warum IT-Projekte scheitern.

SQ-Magazin:
Wie führt man eine Business-Analyse durch? Wie fängt man an und wie geht man im Laufe des Prozesses vor?

Eric Riou du Cosquer:
Um die Bedürfnisse des Kunden zu klären, muss man zunächst den Kontext verstehen und zwar den internen und externen Kontext. Man sollte sowohl die internen als auch externen Merkmale eines Projekts analysieren. Dabei kann man sich bspw. folgende Fragen stellen: Wer sind die Wettbewerber? Haben wir bereits eine existierende Lösung auf dem Markt?

Außerdem sollte man die wichtigsten Stakeholder identifizieren und auflisten: die Geschäftsvertreter, IT-Spezialisten – und ganz wichtig auch: die Endnutzer, die leider oft vergessen werden. Als Business Analyst muss man mit diesen Personen sprechen,
um ihre Bedürfnisse zu klären. Wichtig ist auch, die Geschäftsprozesse zu identifizieren, die mit dem Bedarf und der zu implementierenden Lösung zusammenhängen. Wenn es zum Beispiel um die Personalverwaltung geht, müssen Sie die Person ermitteln, die im Unternehmen für diesen Prozess zuständig ist. Sie müssen diese Person kennenlernen und verstehen, wie sie arbeitet.

SQ-Magazin:
Was wird in der Business-Analyse analysiert? Welche Geschäftsbereiche werden betrachtet?

Eric Riou du Cosquer:
Das ist eine sehr gute Frage. Wir müssen zunächst verstehen, wo ein Unternehmen in Bezug auf sein Geschäft seine Vision und seine Ziele steht und müssen die Geschäfts-prozesse kennen, bevor wir eine Lösung entwickeln können. Ein guter Ansatz ist die Dokumentation der Geschäftsprozesse: Zu diesem Zweck können spezielle Notationen wie die Business Process Model and Notation (BPMN) verwendet werden.

Die Geschäftsprozessmodellierung, die Vision und die Ziele des Unternehmens werden auf einer hohen Ebene im Unternehmen diskutiert. Das ist übrigens auch das Interessante an der Arbeit als Business Analyst, denn man arbeitet mit einigen hochrangigen Managern in einem Unternehmen zusammen. Sobald Sie die betroffenen Geschäftsbereiche und -prozesse identifiziert haben, können Sie zu den Aktivitäten des Requirements Engineering übergehen. Ein wichtiger Schritt ist die Ermittlung der Anforderungsquellen, d. h. der Quellen, die zur Ermittlung der Anforderungen herangezogen werden. Die wichtigsten Quellen sind die Stakeholder, aber auch Systeme und die vorhandene Dokumentation.

SQ-Magazin:
Was muss man bei der Durchführung einer Business-Analyse beachten?

Eric Riou du Cosquer:
Da gibt es viele Aspekte. Um eine kurze Antwort zu geben, möchte ich etwas wiederholen, das ich vor 20 Jahren in der Schule gelernt habe: Man muss das Implizite explizit machen.
Das bedeutet, dass viele Funktionen für den Kunden so offensichtlich sind, dass sie nicht einmal erwähnt werden. Das Problem ist, dass es sich hierbei oft um die wichtigsten Merkmale handelt. Der Kunde braucht etwas. Und das ist für ihn so offensichtlich, dass
er nicht danach fragt.

Am Ende wird es im Endprodukt vergessen und der Kunde wird das
Produkt nicht annehmen. Man muss also wirklich alles berücksichtigen: Alles, was man sieht, was man liest und was man schon weiß. Man muss die Bedürfnisse aber auch mit verschiedenen Techniken herausfinden.

SQ-Magazin:
Gibt es Techniken und Methoden, die Ihnen bei der Business-Analyse helfen?

Eric Riou du Cosquer:
Ja, es gibt viele hilfreiche Techniken für die Business-Analyse. Einige einfache aber wirkungsvolle Techniken sind zum Beispiel Brainstorming oder Feldbeobachtung – eine Methode, die dabei hilft, zu analysieren, wie sich Endnutzer in ihrem Kontext verhalten. Nützlich ist auch die Technik der Systemarchäologie, bei der es darum geht, bestehende Systeme zu analysieren, um zu verstehen, wie sie miteinander verbunden sind.

Man kann auch Reviews organisieren, um konkrete Bedürfnisse und weitere Anforderungen, wie lokale Vorschriften zu verstehen. Auch die SWOT-Analyse wird oft angewendet: Sie dient dazu, die Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren für ein bestimmtes Projekt
zu ermitteln. In der Toolbox der Business-Analysten befinden sich auch Dinge wie das Ishikawa-Diagramm (oder auch: Fishbone-Diagramm). Diese Technik ist sehr nützlich, wenn Sie ein Problem haben und nicht verstehen, woher es kommt. Mit dem Ishi-
kawa-Diagramm können Sie mehrere Ursachen für ein und dasselbe Problem ermitteln. Damit ist es eine sehr gute Methode, um eine Lösung für ein Problem zu finden.

Ishiawa-Diagramm Fishbone-Diagramm Abbildung

Abb. Ishiawa-Diagramm, Quelle: ASQF

SQ-Magazin:
Jetzt haben Sie uns eine Menge Techniken vorgestellt. Wie sieht es mit den Tools aus?

Eric Riou du Cosquer:
Die wichtigsten Tools sind meiner Meinung nach die Werkzeuge zur Geschäftsprozess-modellierung. Sie werden verwendet, um Geschäftsprozesse abzubilden, so dass analysiert werden kann, wie ein Geschäftsprozess mit verschiedenen Aktivitäten, Input und Output organisiert ist. Die bereits erwähnte BPMN-Notation kann in einem solchen Tool implementiert werden. Nützlich sind auch Tools für das Anforderungsmanagement.

Bedürfnisse müssen im Detail in Anforderungen umformuliert werden. Dabei ist es sehr wichtig, dass die Anforderungen auf verschiedenen Ebenen identifiziert werden können:
Geschäftsanforderungen, Produktanforderungen, Komponentenanforderungen. Wenn dafür keine Werkzeuge eingesetzt werden, kann man sich schnell verirren. Ein weiteres Tool, das
ich erwähnen möchte, sind die Werkzeuge zur Modellierung der grafischen Benutzer-oberfläche, die nützlich sind, um in einem frühen Stadium des Projekts zu zeigen, wie die Anwendung aussehen wird.

SQ-Magazin:
Wie kann man lernen, eine Business-Analyse durchzuführen?

Eric Riou du Cosquer:
Die Business-Analyse zu lernen, ist keine leichte Aufgabe. Man kann es langsam, aber sicher erlernen, wenn man ein paar Jahre in einem Unternehmen gearbeitet hat, zum Beispiel als Tester. Man testet einige Geschäftsanwendungen und lernt gleichzeitig etwas
über das Geschäft. Meiner Meinung nach ist es aber auch sehr wichtig und effizient, eine Ausbildung zu machen. Es gibt eine Reihe von Ausbildungs- und Zertifizierungsprogrammen in dieser Branche, von denen ich zwei erwähnen möchte.

Eines davon ist das IIBA – das International Institute of Business Analysis – mit dem BABOK (Business Analysis Body of Knowledge®) Leitfaden zur Business Analyse. Ein weiteres Programm, das ich erwähnen möchte, ist das IQBBA, das International Qualifications Board for Business Analysis. Dieses Board hat einen Syllabus erstellt, in dem die wichtigsten Fähigkeiten, die ein effizienter BA für seine Arbeit benötigt, zusammengefasst werden. Mit IQBBA ist es möglich, sich ausbilden zu lassen und eine Prüfung abzulegen, zum Beispiel das IQBBA Foundation Level
Business Analysis Exam. 

SQ-Magazin:
Vielen Dank für das Gespräch!

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Redaktion
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