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Extended Reality: Eine Chance für den hybriden Vertrieb von Automatisierungslösungen?

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Autor: Dr. Eike Wolfram Schäffer

Trotz der immer wichtiger werdenden Digitalisierung und Durchgängigkeit im Engineering (Industrie 4.0) ist der Vertrieb noch immer von einem “Stift-und-Zettel-Vorgehen” geprägt. Eine durchgängige, digitale Zusammenarbeit zwischen Marketing, Vertrieb, Planung und Engineering findet nur bei den wenigsten Firmen statt. Durch die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen entsteht der Bedarf nach mehr Automatisierungslösungen, auch in alltagsnahen Bereichen. Ein hybrider, Extended Reality Vertrieb sowie Marketing und Planung bieten die Chance, aktuelle Herausforderungen skalierbar zu adressieren und die Standardisierung von Automatisierungslösungen voranzutreiben.

Warum ist ein Umdenken im Vertrieb notwendig?

Technologische und gesellschaftliche Veränderungen führen dazu, dass bestehende Vorgehensweisen und Prozesse angepasst werden müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zwei wesentliche Faktoren sind die Umstellung auf Elektromobilität und der demographische Wandel.

Die Umstellung der Produktion auf Elektromobilität verändert die Zuliefer-Landschaft

In den nächsten Jahren werden Zulieferer für die Automobilindustrie ihre Arbeit umstellen müssen: weg von den Komponenten für den Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität. Da die mechanische Komplexität bei der Elektromobilität niedriger ist, werden weniger bzw. andere Zulieferer benötigt. Hierdurch werden bestehende Unternehmen vom Markt verschwinden und neue entstehen.

Gerade in einem eher konservativen Umfeld, wie es in Deutschland vorherrscht, wird ein Großteil des Umsatzes mit Bestandskunden erwirtschaftet. Automatisierungsanbieter, die im Verbrennungsmotor-Automotive-Zulieferer-Umfeld tätig sind, werden Kunden verlieren und sich auf die Suche nach neuen Kundensegmenten machen müssen. Dabei ist Automatisierungstechnik wichtiger denn je – denn neben erheblichen Kosten- und Qualitätsvorteilen fördert eine lokale Produktion mittels Automatisierungstechnik in Deutschland und Europa eine erhebliche CO2-Einsparung.

Der Demographische Wandel als Katalysator und Chance

Laut Prognosen der Bundesagentur für Arbeit werden bedingt durch den demographischen Wandel bis zum Jahr 2040 allein in Deutschland rund 8,7 Millionen Fachkräfte fehlen. Demgegenüber sind gerade einmal 0,85 % aller physischen Arbeitsplätze durch (roboterbasierte) Automatisierungslösungen automatisiert. Hier besteht also ein immenses Potenzial für den Ausbau von Automatisierungslösungen. Auch der stetig steigende Mindestlohn begünstigt eine wirtschaftliche Automatisierung. Auch außerhalb des Automotive-Sektors ergeben sich ein zunehmend gesellschaftlicher Bedarf und große
unternehmerische Chancen.

Herausforderungen und Chancen im Vertrieb

Schon jetzt finden viele Unternehmen aufgrund des demographischen Wandels kein qualifiziertes Vertriebspersonal. Für zwei Mitarbeitende, die in den Ruhestand gehen, wird lediglich eine Person 18 Jahre alt und zukünftig in das Arbeitsleben eintreten. Durch fehlendes Vertriebspersonal entstehen Unternehmen hohe Opportunitätskosten. Auch hat die Generation Z (Jahrgang 1995 -2010) andere Ansprüche an das Arbeitsleben, vor allem hinsichtlich des digitalen Arbeitens und der zeitlichen Flexibilität. Hierdurch haben digital gut aufgestellte Unternehmen sowohl als innovative Arbeitgeber als auch kompetente Lieferanten deutlich bessere Chancen, an Mitarbeitende und Aufträge zu gelangen.

Analoger Vertrieb als Engpass?

Analoger Vertrieb ist nur bei großen Projekten lukrativ

Insbesondere in einem konservativen Umfeld, wie es in Deutschland vorherrscht, übernimmt der Vertrieb eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe, um für Kunden und Kund:innen Mehrwert stiftende Lösungen zu finden, sie zu erklären und sie für die Lösung zu begeistern. Dieser Prozess ist typischerweise sehr zeit- und kostenintensiv, da technische Vertriebsmitarbeitende gut ausgebildet und kommunikationsstark sein müssen.

Hinzu kommt die allgemeine Erwartungshaltung, dass die Vorberatung bis zum Vertragsabschluss für Kunden kostenlos sein soll, wodurch Akquisekosten indirekt in das Gesamtangebot eingepreist werden. Der herkömmliche Vertriebsansatz ist also auf Projekte mit großem Umsatzvolumen beschränkt.

Das erklärt die starke Fokussierung von Automatisierungsanbietern auf Großkonzerne, insbesondere rund um den Automotive-Bereich. Hinzu kommt, dass kleine Unternehmen weniger spezialisierte Fachabteilung haben und somit bei kleineren Auftragsvolumen deutlich beratungsintensiver sind.  Eine fachliche Spezialisierung ist notwendig, da aufgrund komplexer Aufgabenstellungen im technischen Bereich verschiedene fachliche Gewerke und Rollen involviert sind.

Vertrieb in Zahlen

Ein Vertriebsmitarbeiter im industriellen Bereich kostet ein Unternehmen im Jahr ca. 110-180 k € (Gehalt, Provision, Lohnnebenkosten, Dienstwagen, Spritkosten, Spesen usw.). Dabei fallen je nach gefahrenen Kilometer zwischen 10-20 k € allein für Spritkosten und Spesen im Jahr an. Rechnet man konservativ 50 % der Arbeitszeit als Reisezeit, kommen 40-80 k € Personalkosten hinzu. Zusätzlich entstehen je Vertriebsperson bis zu 32 Tonnen CO2 im Jahr durch den Kraftstoffverbrauch auf Dienstreisen, da persönliche Kontakte für einen Vertragsabschluss sehr wichtig sind. Hinzu kommt, dass Kraftstoffpreise und damit Dienstreisen teurer werden.

Kosten für kundenindividuelle Konzepte: Zusätzlich zu den Kosten durch den Vertrieb, kommen je nach Projekt noch die Kosten für die kundenindividuelle Lösungskonzepts- bzw. Angebotserstellung hinzu. Rechnet man z. B. mit Effektivkosten eines Ingenieurs von 8.000 € im Monat (Gehalt, Lohnnebenkosten, Urlaub usw.), der Dauer für ein Konzept von 2 Wochen sowie einer Abschlussquote (Aufträge zu Angeboten) von 20 %, dann entstehen hierdurch 20.000 € Vertriebs-Engineering-Kosten je Auftrag.

Quintessenz: Diese vorherrschenden Vertriebsansätze, ein fehlendes Grundverständnis für Robotik und Automatisierung in der breiten Bevölkerung und der Kundschaft führen
dazu, dass nur 0,85 % aller physischen Arbeitsplätze automatisiert sind, obwohl bedingt durch den Fachkräftemangel die Notwendigkeit kontinuierlich steigt. Hinzu kommt die Notwendigkeit einer individualisierten Planung von Automatisierungslösungen.

Ein Vertriebsmitarbeiter im industriellen Bereich kostet ein Unternehmen im Jahr ca. 110-180 tausend Euro

B2B-E-Commerce als genereller Lösungsansatz?

Aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen bietet es sich an, die Paradigmen zur Planung von Automatisierungslösungen und eines modernen, digitalen Vertriebs neu
zu denken. Hierdurch werden die konzeptionellen und technischen Grundlagen für den Business-to-Business (B2B) Onlinehandel (E-Commerce) sowie für das industrielle
Metaverse und die digitale Fabrik gelegt.

Paradigma 1 – Automatisierungstechnik für den Massenmarkt

Damit Automatisierungstechnik für den Massenmarkt fähig wird, ist ein Umdenken von kundenindividuellen hin zu aufgabenspezifischen, schlüsselfertigen Lösungen notwendig. Indem Automatisierungstechnik zum Massenmarktprodukt wird, können Skaleneffekte gehoben werden. Da bei einer Automatisierungslösung aktuell ca. 50 % der Kosten auf die Hardware und 50 % der Kosten auf das Engineering fallen, ergeben sich hohe Einsparungs-potentiale.

Zusätzlich kann mithilfe einer Spezialisierung auf einzelne Lösungen ein kostentechnisches und technologisches Alleinstellungsmerkmal erreicht werden. Durch eine zunehmende Spezialisierung kann mit komplementären Systemintegratoren eine Vertriebspartnerschaft eingegangen werden, wodurch sich zusätzliche Netzwerkeffekte ergeben. Hierfür sind 3D-Modelle und 3D-Werkzeuge notwendig.

Paradigma 2 – hybrider Vertrieb und hybride Planung

Was ist die Alternative zu einem primär analogen Vertrieb? Ein 100%-iger digitaler Vertrieb wird nach eigener Erfahrung des Autors sowie Meinungen verschiedener Vertriebspersonen nicht funktionieren. Denn der zwischenmenschliche Kontakt und das Vertrauen entstehen erst in der direkten Interaktion und sind mittelfristig nicht durch Technologie zu ersetzen.

Ein hybrider Vertriebsansatz, der aus 50 % digitaler und 50 % persönlicher Kommunikation besteht, bietet sehr viel Potential. Auch in nachhaltiger Hinsicht: Mit einem hybriden Vertriebsansatz kann die CO2-Bilanz um rund 16 Tonnen CO2 je Vertriebsperson
verbessert werden. Weitere Vorteile des hybriden Vertriebsansatzes sind:

  • Senkung der Dienstreisekosten [(Personal + Reisekosten) um 50 % als 25-50 k € (von 50-100 k €)]
  • Erhöhung der Abschlussquote und Effektivität um bis zu 80 %.
  • Mehr Effektivität und Effizienz: Zum einen kann weniger Vertriebspersonal mehr Kunden effektiv betreuen (8x 3D-online Termine vs. 1-2x persönliche Termine am Tag) und zum anderen können über innovative Ansätze leichter neue motivierte, digital affine Mitarbeiter gefunden werden.
  • Und zum Aspekt der Abschlussquote: Wer bekommt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einen Auftrag und das Vertrauen des Kunden geschenkt? Lieferant A: der mit Stift und Zettel arbeitet und Angebote mit 2D-Skizzen vorlegt oder Lieferant B: der mit professionellen 3D/XR-Tools die Lösung und Angebote
    einfach erklären kann?

Mit einem hybriden Vertriebsansatz kann die CO2-Bilanz um rund 16 Tonnen CO2 je Vertriebsperson verbessert werden.

Welche Chancen bietet Extended Reality im Vertriebsbereich?

Visuelle Kommunikation ist eine universelle Sprache, unabhängig vom Alter, Bildungsstand oder Nationalität. Gerade für die visuelle Kommunikation spielt sie eine wesentliche Rolle. Extended Reality (XR) ist dabei als Sammelbegriff für verschiedene Interaktionsformen mit der Benutzerschnittstelle einer Software sowie deren Interaktion mit der realen Umgebung zu verstehen. Teilgebiete von XR sind Virtual Reality (VR) mittels 3D-Brillen, Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR) mittels AR-Brillen, Tablet und Smartphone.

Fehlende 3D-Datenbasis

Vielen Unternehmen fehlt bisher die digitale (3D-)Datenbasis Ihrer Produkte,
Lösungen und Referenzprojekte, um ein produktives und sinnvolles B2BE-Commerce zu betreiben. Primäre Vertriebsmedien sind PowerPoint, Bilder und Videos, welche in einem
Onlinemeeting per Bildschirmübertragung geteilt werden. Häufig werden Angeboten nur 2D-Skizzen beigefügt. Zahlreiche Unternehmen bieten bereits einen Download Ihrer 3DModelle an, die innovativsten haben einen 3D-Webkonfigurator. Häufig arbeiten die Gewerke Marketing, Vertrieb und Engineering getrennt und teilen sich aus organisatorischen Gründen nur selten eine konsistente Datenbasis.

Die Lösung: Über eine kollaborative 3D-Webplanungsumgebung kann die Zusammenarbeit zwischen Marketing, Vertrieb und Planung gestärkt werden, da alle Rollen aus einer solchen Umgebung einen Vorteil für Ihre Aufgaben ziehen. So kann das Marketing über die 3D-Umgebung einfach Bilder und Videos z. B. für LinkedIn erstellen. Der Vertrieb kann vor Ort mit dem Kunden über ein AR-Tablet die Lösung sowie Referenzprojekte in der Realumgebung aufzeigen, sowie mittels Smartphones 3D-Scans die reale Umgebung aufnehmen. Die Planung kann auf die 3D-Grobplanung aufbauen. Hierdurch wird die (3D-)Datenbasis für den Einstieg in das B2B-E-Commerce sowie das industrielle Metaverse geschaffen.

Smartphone 3D-Scans als Befähigter

Mittels moderner Smartphones und integrierten Lidar-Sensoren (Form des drei-dimensionalen Laserscanning), die zum Beispiel im iPhone 12, 13, 14 Pro verbaut sind, kann die 3D-Umgebung aufgenommen und für ein virtuelle Vertriebs- und Planungsgespräch genutzt werden, über integrierte QR-Codes kann der Kunde  weitergeleitet werden.

Weitere mögliche Anwendungsfälle von XR sind

XR-Mitarbeiterschulung: Mithilfe von 3D-Daten und einer kollaborative 3D Webplanungsumgebung können ähnlich zu einem Computerspiel Replay (Aufzeichnung des Spiels), komplette, interaktive 3D-/XR-Schulungen schnell und kostengünstig erstellt werden.

Sicherheitsbewertung und Audits: Über eine 3D-Umgebung in Kombination mit 3D-Scans lassen sich transparent dokumentierte, einfach nachvollziehbare Sicherheitsbewertung und Audits durchführen.

3D-Lasten- und 3D-Pflichtenheft: Anstelle bzw. ergänzend zu einem rein
textuellen Lasten- und Pflichtenheft kann eine 3D-Dokumentation den Prozess beschleunigen und verständlicher gestalten.

Fazit

Standardisierte Automatisierungslösungen können auch im B2B funktionieren, wenn mit einer klugen digitalen, skalierbaren Strategie vorgegangen wird: einem hybriden Vertrieb und Marketing, das in enger Zusammenarbeit mit dem Engineering mithilfe von Extended-Reality-Lösungen und -Modellen Hand in Hand arbeitet.

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