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Low-Code in der Fertigung: Prozesslösungen für die Produktion neu denken

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Autorin: Kerstin Stier

In produzierenden Unternehmen steht die Fertigung in aller Regel im Zentrum der Wertschöpfung. Meist über viele Jahre hinweg haben diese Unternehmen ihre Fertigungsprozesse individuell entwickelt und perfektioniert und die Basis dafür geschaffen, Wettbewerbsvorteile auf globalisierten Märkten zu erlangen und zu sichern. Im Zuge der Digitalisierung gilt es, diese Prozesse in ihrer Einzigartigkeit auch systemseitig abzubilden – mit dem Ziel, Potenziale zur Effizienz- und Produktivitätssteigerung zu heben und zugleich die individuellen Verfahrens- und Produktvorteile beizubehalten.

Digitalisierung in Mittelstand und Industrie – der Status Quo

Durch die Einführung von Standardsoftwaretools und -systemen, wie ERP-, MES- oder QS-Systemen, haben viele Unternehmen bereits Fortschritte in Richtung Digitalisierung gemacht. Bei individuellen Prozessen stoßen diese Systeme jedoch oft an ihre Grenzen. Es ist zwar grundsätzlich möglich, individuelle Anforderungen in einer Standardsoftware abzubilden, jedoch ist dies meist mit erheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden. Die Realisierung
individueller Lösungen führt nicht selten zu Mammutprojekten, die sich über Monate oder sogar Jahre erstrecken und die Organisation eher hemmen als voranbringen. Vor allem im Mittelstand führt die Digitalisierung dazu, dass IT- und Fachabteilungen mit erheblichen und oft schwer zu
bewältigenden Herausforderungen konfrontiert werden.

Herausforderungen in der Digitalisierung von Produktionsprozessen

Insbesondere im Bereich der Fertigung treten neben den höchst individuellen Prozessen weitere Herausforderungen auf: Trotz fortgeschrittener Digitalisierung existieren oftmals noch papierbasierte Prozesse, die in verschiedenen Bereichen anzutreffen sind und deren systemseitige Abbildung nicht vorgesehen ist. Das betrifft beispielsweise die Werkzeugverwaltung oder die Aktualisierung von Stammdaten im Fertigungsprozess. Überall dort, wo Papier und Stift eingesetzt werden, sind Ineffizienzen und Fehlerpotenziale nicht weit entfernt.

Überall dort, wo Papier und Stift eingesetzt werden, sind Ineffizienzen und Fehlerpotenziale nicht weit entfernt.

Kerstin Stier

Die manuelle Datenübertragung ist nicht nur arbeitsintensiv, sondern birgt auch das Risiko, dass ungenaue Daten in die Systeme gelangen oder – im Worst Case – Daten gar nicht in den
Backends erfasst werden. Eine weitere Herausforderung, mit der sich Produktionsbereiche in der Regel konfrontiert sehen, ist die Vielfalt der dort eingesetzten Systeme. Mit der Fortschreitung der Digitalisierung nimmt auch die Anzahl der verwendeten Softwarelösungen zu – angefangen
beim ERP-System, über Produktionsplanungssoftware (PPS), QS-Systeme, MES-Anwendungen (Manufacturing Execution Systeme) bis hin zum PIM (Produktinformationsmanagement).

Die erforderliche Integration dieser Anwendungen ist oft komplex, kostspielig und manchmal auch nicht umsetzbar, was zur Entstehung zahlreicher Insellösungen führt, die nicht miteinander kommunizieren können. Darüber hinaus ist die Landschaft dieser Systeme meist nicht benutzerfreundlich gestaltet. Die Mitarbeiter in der Produktion verfügen in der Regel über Prozesskenntnisse, aber nicht notwendigerweise über das Know-how zur Bedienung komplexer Softwareoberflächen. In Zeiten, in denen Fachkräfte rar sind, ist es essenziell, die Nutzer durch benutzerfreundliche Apps effektiv und bedarfsgerecht zu unterstützen. Damit können begrenzte Ressourcen optimal genutzt, neue Mitarbeiter :innen schneller eingearbeitet und die Mitarbeitermotivation durch die Nutzung angenehmer und benutzerfreundlicher Anwendungen gefördert werden.

Anwendungsentwicklung für die Produktion: Mit Low-Code neu gedacht

An diese vielfältigen Herausforderungen setzt das Prinzip von Low-Code an. Die Technologie denkt mit ihrem Ansatz die Anwendungsentwicklung neu: Anstelle von manuellem Coding tritt bei Low-Code ein Baukasten mit vorgefertigten Möglichkeiten, um Anwendungen individuell zu konfigurieren. Es fällt nur geringer Programmieraufwand an, um Lösungen zu erstellen und
bereitzustellen: Benutzeroberflächen werden per Drag-and-drop erstellt, vorgefertigte Funktionsbausteine ermöglichen das schnelle Vorankommen. So können Elemente einfach auf User Interfaces platziert, Datenfelder hinzugefügt oder entfernt und Workflows intuitiv und anwenderorientiert abgebildet werden. So wird gewährleistet, dass nur die im Prozess wirklich benötigten Informationen dargestellt und manuelle Dateneingaben minimiert werden.

Funktionsweise einer Low-Code Plattform

Funktionsbausteine wie Barcode-Scanning, Fotodokumentation per Kamera und das Auslesen von
NFC- oder RFID-Chips erleichtern zudem die direkte Datenerfassung vor Ort. Dort, wo komplexe Logik eingebracht werden soll oder besondere Funktionen erforderlich sind, bieten Low-Code-Plattformen in der Regel die Möglichkeit, dies mittels Coding zu ergänzen. Auf der Backend-Ebene ermöglicht Low-Code eine schnelle und effiziente Integration verschiedener Systeme. Dabei kann eine Low-Code-Plattform wie eine Middleware an vorhandene Systeme angedockt werden. In der Regel stehen hierfür Standardschnittstellen wie REST und SOAP sowie systemspezifische Plug-ins und Konnektoren zur Verfügung, die einen direkten Datenaustausch in Echtzeit ermöglichen. Auch die Anbindung von Maschinen und Anlagen ist möglich, etwa per MQTT und OPC/UA, sodass auch diese in Prozessanwendungen nahtlos eingebunden werden können.

Schließlich bieten Low-Code-Plattformen eine hohe Flexibilität, um die Anwendung auf der Plattform bzw. einem Endgerät zu nutzen, das optimal zum Prozess passt. Gerade in der Produktion sind es meist mobile Endgeräte, die es ermöglichen, dass Informationen an Ort und Stelle im Prozess abgerufen und erfasst werden. Mithilfe von Low-Code-Plattformen
sind sowohl Anwendungen für die Desktop-Nutzung als auch für die mobile Nutzung auf Tablet, Smartphone oder auch auf Industriescannern und Smartwatches möglich– je nach Low-Code-Anbieter sogar als native Apps für die jeweiligen Plattformen; das macht weitere Vorteile
nutzbar, wie bessere Usability und einfacheres Handling.

Beispiel einer Produktionsapp

Low-Code-Anwendungen in der Fertigungspraxis

In der Praxis gibt es vielfältige Beispiele dafür, wie Low-Code-Apps die Digitalisierung der Produktionsprozesse in Unternehmen voranbringen können: Ein Unternehmen, das Prüfmittel für
die Elektronikindustrie
fertigt, verwirklichte mit Low-Code eine umfassende Lösung für die papierarme Produktion – „papierarm“ deshalb, weil nach wie vor am Ende des Prozesses Etiketten
gedruckt werden, wobei der Etikettendruck dabei auch mobil per Fertigungsapp angestoßen wird.

Die umfassende Lösung liefert den Mitarbeitenden in der Produktion mithilfe einer mobilen
App alle relevanten Informationen für ihren Arbeitstag: vom Arbeitsvorrat über Fertigungsstatus und Rüstpläne bis hin zur Betriebsdatenerfassung ist die App ihr zentrales Arbeitstool, das auf einem Tablet läuft. Auch die Rückmeldungen zu den Qualitätsprüfungen werden über die Anwendung getätigt, Prüfpläne sind einsehbar und es wird automatisiert gewährleistet, dass in regelmäßigen Abständen QS-Prüfungen durchgeführt werden. Alle erfassten Daten werden automatisiert und in Echtzeit in die jeweiligen, angebundenen Backend-Systeme
übertragen.

Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die Realisierung von IoT-Szenarien mit Low-Code-Technologie, wie etwa die Anbindung von Fertigungsanlagen an die Low-Code-Plattform. Per MQTT
(Message Queuing Telemetry Transport) können sie per App gesteuert werden, was in der praktischen Anwendung bedeutet, dass ein spezieller Validierungsprozess abgebildet werden konnte, den die Werker vor dem Auftragsstart durchlaufen: Zunächst werden mithilfe der Tablet-Kamera die Barcodes auf den Einsatzmaterialien gescannt und von der Low-Code-App
gegen das Backend-System validiert.

Alles auf einen Blick: Mit einer individuellen App auf
einem mobilen Endgerät wickeln Fertigungsmitarbeiter
die BDE ab und haben jederzeit den Überblick über
Fertigungsaufträge und -status.

Nachdem alle zu verwendenden Materialien korrekt gescannt wurden, kann die Maschine dann direkt per Tablet gestartet werden. Ein anderes, eindrückliches Beispiel für die Realisierung von Prozessoptimierungen mit Low-Code durch System- und Anlagenintegration stammt aus der Nahrungsmittelindustrie:

In einem Betrieb, in dem Nahrungsmittel wie Reformkost und Müsli nach vorgegebenen Rezepturen gefertigt werden, wurde eine Low-Code-App realisiert, die direkt an die verwendeten Industriewaagen sowie an das ERP-System angebunden ist. Die Anwendung führt die Mitarbeitenden anhand der Stückliste durch die Rezeptur, sodass in jedem Schritt erkennbar ist, welche Zutat in welcher Menge benötigt wird. Beim Abwiegen der Zutaten übermittelt die angebundene Industriewaage das Gewicht in Echtzeit in die Anwendung, sodass dort lediglich noch die Menge bestätigt werden muss. Daraufhin erfolgt automatisch die Materialbuchung im ERP-System. Das Unternehmen berichtet, dass es mit dieser Lösung einen erheblichen Effizienzgewinn erzielen konnte, indem die manuellen Datenübertragungen und Materialbuchungen komplett entfielen. Schließlich sind auch im Bereich der Qualitätssicherung erhebliche Verbesserungen möglich:

Ein Unternehmen im Bereich der Fertigung von Pumpensystemen realisierte mithilfe von Low-Code-Technologie eine papierlose Prüfdatenerfassung: Anstelle der bisherigen Excel-basierten Dateneingabe werden Prüfmerkmale von den Mitarbeitenden per App auf dem Tablet erfasst. Zusätzlich sind einige Messgeräte direkt mit der Low-Code-Plattform gekoppelt, sodass diese Messwerte – wie beispielsweise Oszillographen – direkt an die App übermittelt werden. Alle erfassten Informationen landen in Echtzeit im angebundenen ERP-System, und es wird parallel auch automatisiert das Prüfdaten-PDF generiert.

Fazit: Low-Code fördert die digitale Transformation

Die aufgeführten Beispiele zeigen, wie vielfältig die möglichen Lösungen von Low-Code-Plattformen in der Fertigung und Qualitätssicherung sind. Von vollumfänglichen Prozesslösungen bis hin zu schlanken Apps für kleine Teilprozesse können Unternehmen bedarfsgerechte Lösungen realisieren, die ihren Erfordernissen exakt entsprechen. Ein Vorteil ist, dass Low-Code-Plattformen so konzipiert sind, dass auch Personen ohne tiefgehende Programmierkenntnisse Anwendungen (teil-)realisieren können. Das öffnet die Tür für eine engere Zusammenarbeit zwischen IT-Abteilungen und den eigentlichen Anwendern aus den Fachbereichen.

Damit können alle Beteiligten gemeinsam Lösungen erarbeiten, die exakt den Anforderungen des Geschäftsalltags entsprechen. Speziell in mittelständischen Unternehmen, die von begrenzten Ressourcen und Fachkräftemangel geprägt sind, ermöglichen Low-Code-Lösungen einen praxisorientierten und pragmatischen Weg in Richtung Industrie 4.0. Sie erlauben die schnelle Realisierung integrierter und individueller Lösungen und machen IT-Projekte weniger langwierig. Die erstellten Apps sind benutzerfreundlicher als Standardsoftware und können bei Bedarf und bei sich ändernden Prozessanforderungen jederzeit flexibel angepasst werden. Damit stellen sie eine wichtige Ergänzung in der Systemlandschaft produzierender Unternehmen dar, um die Digitalisierung voranzutreiben und Wettbewerbsvorteile zu behaupten.

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