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Interview mit Stan Bühne: Digital ist nicht nur ein Adjektiv

Die Anforderungen an die Software Entwicklung haben sich in den letzten Jahren maßgeblich geändert. Um das passende Produkt zu entwerfen, müssen die Anforderungen genau besprochen und Lösungen ganzheitlich betrachtet werden. Wie das funktioniert erfahren Sie im Interview mit Stan Bühne.

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Stan Bühne ist stellvertretender Geschäftsführer der IREB GmbH und verantwortlich für das Geschäftsfeld Digital Design. Das SQ-Magazin hat mit ihm über die Bedeutung des Requirements Engineers und seine Anforderungen sowie die Veränderungen in der Software-Entwicklung in den letzten Jahren und das neue Berufsbild des Digital Design Professional gesprochen.

Herr Bühne, was macht ein Requirements Engineer eigentlich? Welche Bedeutung kommt seiner Arbeit zu und was kann passieren, wenn er bei einem Projekt fehlt?

Ein Requirements Engineer hat innerhalb eines Projektes die Verantwortung, die Anforderungen an ein neues Produkt oder System zu ermitteln. Der Begriff „ermitteln“ stellt im Grunde sehr schön dar, was jemand in der Rolle eines Requirements Engineer macht: Ähnlich zur Ermittlungsarbeit eines Polizeibeamten muss der Requirements Engineer unterschiedliche Techniken anwenden, um die Wahrheit – hier die Anforderungen an das
neue Produkt – ans Licht zu bringen.

Neben der Ermittlung der Anforderungen verbringt der Requirements Engineer einige Zeit mit der Analyse, Dokumentation und Abstimmung der ermittelten Anforderungen, sodass am Ende eine stimmige – das heißt vollständige, abgestimmte und konsistente – Beschreibung der Anforderungen an das neue Produkt dabei herauskommt. Wenn ein Requirements Engineer in einem Projekt fehlt, heißt das erst einmal nichts. Solange seine Rolle von einer anderen Person im Projekt wahrgenommen wird.

Oftmals ist es sogar der Projektleiter in Personalunion. Sollte die Rolle des Requirements Engineers allerdings vernachlässigt werden, kommt es häufig vor, dass das entwickelte Produkt an den Bedürfnissen der Nutzer vorbeigeht und das ursprüngliche Problem nicht löst. Getreu dem Spruch: „Wenn das die Lösung ist, möchte ich mein Problem zurück”. Spaß beiseite, lassen Sie uns noch einmal den Schwenk zum Ermittler der Polizei machen. Wenn wir niemanden haben, der sich mit Herzblut um die Ermittlung der Fakten kümmert, wird am Ende einiges im Verborgenen bleiben.

Jemand muss sich z.B. bei einem Verkehrsunfall darum kümmern, dass Beteiligte, Zeugen, Gutachter usw. befragt und Szenarien nachgestellt werden, um die Zusammenhänge besser zu verstehen – ähnlich ist es beim Requirements Engineer. Wenn diese Rolle niemand wahrnimmt, werden bestenfalls nur wenige Stakeholder – z.B. Nutzer des Systems – vergessen, die dann mit der Lösung leben müssen. Schlimmstenfalls gibt es aber ein vollständig unbrauchbares Produkt, da niemand das Problem verstanden und sich mit den Anforderungen auseinandergesetzt hat. Kurz: Die Rolle, die ein Requirements Engineer innerhalb eines Projekts ausübt, ist entscheidend für den Erfolg eines Projekts.

Wie hat sich die „digitale Welt” in den letzten Jahren entwickelt? Haben sich die Anforderungen an die Rollen der Software-Entwicklung geändert?

Die digitale Welt hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Der Innovationsdruck wird immer größer. Neue Produkte müssen immer schneller auf den Markt, um ja der Erste zu sein. Einerseits wachsen die technologischen Möglichkeiten nahezu täglich – Künstliche Intelligenz, Blockchain, 5G, Cloud-Computing – um nur einige zu nennen. Mit diesen Technologien wachsen andererseits Erwartungen aus Industrie, Gesellschaft und Politik an neue Produkte – aber gleichermaßen Ängste über Datenschutz, Privatsphäre etc.

Aus diesem Grunde haben sich natürlich auch die Anforderungen an Software-Entwickler, aber auch an alle anderen Rollen im Software-Entwicklungsprozess, angefangen mit dem Requirements Engineer, dem Software Architekt aber auch dem Software Tester weiterentwickelt.

Durch die Vielzahl der technologischen Möglichkeiten und den Innovationsdrang werden Produktentwicklungen schlicht komplexer als noch vor zehn Jahren. Hinzu kommen Umstände einer verkürzten Time-To-Market – für Produktentwicklungen, bei denen man vor zehn Jahren von der Idee bis zur Umsetzung noch 1,5 Jahre Zeit hatte, hat man heute oftmals nur drei bis sechs Monate. Um diesem Dilemma Herr zu werden, schwenken immer mehr Unternehmen auf eine agile und fortlaufende Entwicklung von Produkten.

Das heißt, Software-Entwickler brauchen heute andere Kompetenzen als noch vor ein paar Jahren? Welche sind das?

Ja! Aber auch hier würde ich gern ausholen und die anderen am Software Entwicklungsprozess beteiligten Rollen einbeziehen, wie Requirements Engineers, UX-Designer, Software Architekten, Entwickler. Denn alle Rollen benötigen zusätzliche Kompetenzen. Neben den methodischen und fachlichen Fähigkeiten benötigen wir heute
häufiger denn je Fähigkeiten zur Kommunikation und Kollaboration, zum kritischen Denken und nicht zuletzt die Fähigkeit, kreativ zu sein.

Diese Fähigkeiten sind essenziell, um innovative Produkte zu entwickeln. Hierbei ist es allerdings auch wichtig, die Möglichkeiten und Grenzen der verwendeten Technologien zu kennen, um die beste Lösung zu entwickeln. Leider ist es heute allzu oft der Fall, dass jede Rolle im Software-Entwicklungsprozess immer nur in ihrem Bereich denkt und sich für diesen Ausschnitt verantwortlich fühlt.

Dies wird in großen Transformations- oder Innovationsprojekten zu einem Problem. Hier ist es wichtig, dass es Verantwortliche gibt, die das Produkt ganzheitlich verstehen! Ähnlich wie bei einem großen Bauvorhaben für beispielsweise ein Hotel, bei dem ein Architekt die Ende-zu-Ende Verantwortung für das zu erstellende Gebäude, die Integration des Gebäudes in die bestehende Infrastruktur und in die bestehende Umgebung übernimmt, benötigen wir für die Entwicklung innovativer digitaler Lösungen eine Profession, die diese Verantwortung übernimmt.

Also entwickelt sich ein neues Berufsbild. IREB hat dafür eine neue Weiterbildung und damit auch Zertifizierung entwickelt: der Digital Design Professional. Was beinhaltet das?

Ja, genau. Durch die zunehmende Digitalisierung und digitale Transformation in allen Lebensbereichen haben wir uns mit Digitalisierungs-Experten aus der Industrie, Experten aus dem klassischen Produkt- bzw. Industriedesign und Hochschulen zusammengeschlossen, und gemeinsam mit Bitkom das Digital-Design-Manifest verfasst, um den Bedarf einer neuen Profession öffentlichkeitswirksam zu postulieren.

Im Rahmen einer IREB-Arbeitsgruppe haben wir eine Weiterbildung einschließlich Zertifizierung für das neue Berufsbild Digital Design Professional geschaffen. Die Ausbildung zum Digital Design Professional umfasst unter anderem die Fähigkeit, ganzheitliche Lösungskonzepte zu gestalten. Ich wähle hier bewusst den Begriff „gestalten“ und nicht entwickeln, da es vor allem um die gestalterische Kompetenz geht, die ein Digital Design Professional benötigt.

Er muss ähnlich wie ein Architekt Lösungen als Ganzes sehen und denken können. Eine weitere Fähigkeit, die ein Digital Design Professional lernt, ist es, „digital” nicht als Adjektiv zu verstehen, sondern als Material zu betrachten, mit dem er neue, innovative Lösungen gestalten kann. Er muss seine diversen Materialien (Hard- und Software Technologien) kennen, um zu wissen, wie er sie verwendet, wo ihre Stärken liegen, aber auch wo ihre Grenzen sind.

Genauso, wie ein Architekt wissen muss, wo die Grenzen verschiedener Baustoffe liegen, um eine freischwebende Lobby zu errichten. Nicht weniger wichtig sind Querschnittskompetenzen für den Digital Design Professional, um eine ganzheitliche
Betrachtung der digitalen Lösung zu ermöglichen. Er muss in der Lage sein, Geschäftsmodelle zu verstehen, um diese in Bezug auf die Lösung beurteilen zu können bzw. um eine Lösung zu finden, die dem Geschäftsmodell gerecht wird.

Zusätzlich ist es für die Schaffung einer digitalen Lösung wichtig, menschliche Faktoren zu verstehen und wie man Menschen beispielsweise durch den Einsatz von Prototypen Ängste nehmen kann oder
sie sogar begeistern kann. Damit die zertifizierten Kandidaten auch einen direkten und schnellen Nutzen haben, haben wir uns entschlossen, einen exemplarischen Bauprozess im Lehrplan zu verankern, der den frischen Digital Design Professional in die Lage versetzt, das Erlernte in die Praxis umzusetzen.

An wen richtet sich die Weiterbildung zum Digital Design Professional?

Tatsächlich sind wir ja alle irgendwie Teil der Digitalisierung, daher richtet sich unsere Weiterbildung prinzipiell an alle Personen, die herausragende digitale Lösungen gestalten und damit die digitale Zukunft aktiv mitgestalten wollen.

Üblicherweise sind dies gewiss Personen, die heute bereits eine klassische Rolle in der Software-Entwicklung einnehmen, wie beispielsweise: Product Owner, Requirements Engineer, Business Analyst, User Interface Designer, Usability Experte oder Software-Architekt – um einige zu nennen. Genauso richten wir uns aber auch an alle Berufsbilder, die von der Digitalisierung profitieren wollen, beispielsweise Industriedesigner, Produktmanager oder Gründer digitaler Startups.

Wichtig ist dabei, dass diese Personen die Verantwortung, die die Profession des Digital Design Professional mit sich bringt, wahrnehmen wollen und sich nicht hinter einer heutigen Rolle verstecken!

Vielen Dank, Herr Bühne.

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