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Künstliche Intelligenz in flexiblen Produktionslinien: Eine Lösung für neue Herausforderungen im Maschinenbausektor?

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Autor: Michael Lierheimer

Neben akuten Problemen im Maschinenbau bestehen seit Längerem zwei Trends, denen sich Maschinenbauer:innen stellen müssen: komplexere Anforderungen und kleinere Losgrößen. Eine Möglichkeit, diese Herausforderung anzugehen, ist, die Fertigung modular aufzubauen: Flexible mobile Maschinen schaffen selbstständig die beste Fertigungsanlage für jedes Produkt. Unterstützt wird ihr Aufbau durch Software-Agenten und künstliche Intelligenz. Flexibel aufgebaute Produktionslinien ermöglichen es, schnell auf Änderungen am Shopfloor, d. h. innerhalb der Fertigung, zu reagieren.

Neue Herausforderungen, Neue Marktbedingungen: Die aktuelle Situation für Maschinenbauer:innen

Maschinenbauer:innen und Anlagenbetreiber:innen müssen sich aufgrund des weltweiten Wettbewerbs auf neue Herausforderungen in allen Märkten einstellen. Neben aktuellen
Problemen, zu denen unterbrochene Lieferketten, kleiner werdende Absatzmärkte und steigende Energiekosten gehören, haben sich in den letzten Jahren insbesondere zwei
zentrale Herausforderungen herauskristallisiert, die im Maschinenbausektor besonders relevant werden:

  • Die Kundenanforderungen werden anspruchsvoller: Nicht nur Maschinen und Anlagen selbst werden immer komplexer und aufwendiger, auch die Ansprüche an die IT-Integration der Maschinen steigen. Heutzutage müssen Maschinen viel mehr Kennzahlen liefern und sie eventuell auch über die Cloud bereitstellen, da die Daten für neue Auswertestrategien wie Process Mining oder im Rahmen von Big Data benötigt werden, z. B. für Predictive Maintenance.
  • Des Weiteren verändern sich auch die Anforderungen an die Prozesse auf
    der Anlage. Bisher wurden viele Produkte in sehr großen Mengen hergestellt, z. B. Lichtschalter, ohne dass die Fertigung zwischendurch umgestellt werden muss. Die Anzahl der Produkte, die ohne Umstellung der Fertigung hergestellt werden, wird als Losgröße bezeichnet. Der Kundenwunsch nach immer kleineren Losgrößen bedingt, dass Maschinen schneller auf andere Produktvarianten umgestellt werden müssen. Dies wird dadurch vorangetrieben, dass es von einem Produkt immer mehr verschiedene Varianten gibt, die teilweise anders gefertigt werden müssen. In einigen Konstellationen geht dies sogar bis zu individualisierten Produktvarianten in Losgröße 1, wenn zum Beispiel auf einem Lichtschalter ein Firmenlogo graviert wird und der Lichtschalter somit zum Unikat wird.

Zur Bewältigung dieser Aufgaben benötigen Maschinenbauer:innen eine hohe Innovations-kraft. Der Vorteil dabei ist: Marktänderungen bieten interessante Möglichkeiten, die eigene Position im Markt zu verbessern, Kosten zu senken, die Produktion effizienter zu gestalten und die Rekonfigurierbarkeit von Anlagen zu flexibilisieren.

Neue Herausforderungen brauchen neue Produktionskonzepte

Die oben beschriebenen Herausforderungen stehen im Widerspruch zur bisherigen Denkweise, Maschinen auf hohe Taktraten zu optimieren. Denn hohe Taktraten, können nur
mit aufeinander abgestimmten Anlagen und Prozessen erreicht werden. Beides erschwert aber Änderungen am Prozess oder Umbauten der Anlage. Damit zwingen diese Herausforderungen Maschinenbauer:innen und Anlagenbetreiber:innen dazu, bestehende Lösungen zu hinterfragen und neue Konzepte für die Produktion zu entwickeln.

Mögliche neue Konzepte und Lösungen sind:

resiliente Wertschöpfungsnetzwerke und Supply Chains, um die Fertigung auch bei Problemen in der Lieferkette am Laufen zu halten.

digitale Zwillinge für Werkstoffe, Prozesse, Produktionsnetzwerk und
Produkt als Gesamtheit, um im digitalen Abbild des Shopfloors die Fertigung zu testen.

automatische Unterstützung bei der Produktkonfiguration durch KI-Systeme. Hier unterstützt die KI den Planer dabei, die besten Konfigurationsparameter zu finden.

selbstorganisierende Prozessroutenplanung, um die Umbau- und Umrüstzeiten am Shopfloor zu reduzieren.

Doch wie lassen sich diese neuen Konzepte und Arbeitsprozesse entwickeln?

Anhand bestehender Daten werden zunächst die aktuellen Prozesse analysiert. Dazu werden die IST-Prozessdaten der Anlage mit den Plan- und Zieldaten verglichen. Process Mining-Methoden unterstützen, die Unterschiede und das Optimierungspotenzial in den Produktionslinien zu untersuchen. Die aufbereiteten Ergebnisse können Abweichungen und
Engpässe abbilden, indem sie den geplanten Ablauf mit dem realen Workflow auf dem Shopfloor vergleichen.

Dabei zeigt sich, dass ein feststehender Anlagenverbund für feste Produktgruppen zwar sehr effizient ist, der Aufwand bei variablen Anforderungen an die Produkte aber sehr schnell steigen kann. Um auch bei variablen Produktgruppen eine hohe Auslastung der Maschinen gewährleisten zu können, sollte die Linie im besten Fall jeweils
komplett an das Produkt angepasst werden. Aktuell ist dies meist nur mit großem Mehraufwand verbunden, da die Anlagen von Hand umgebaut werden müssen und währenddessen die Produktion ruht.

Was ist eigentlich ein Softwareagent und ein Agentensystem?

Ein Software-Agent ist eine Softwarekomponente, die sich ihrer Umwelt bewusst ist. Das heißt der Agent kennt zum Beispiel seinen Ort auf dem Shopfloor, die Lufttemperatur oder
die Position der Werkstücke. Zusätzlich kann er auch mit der Umwelt interagieren, zum Beispiel in dem er sich bewegt oder andere Objekte steuert. Diese Interaktion mit der Umwelt ermöglicht dem Agenten, auf Basis des möglichen Inputs und Outputs, seine
Aufgabe optimal zu erfüllen. In diesem Sinne ist ein Agent mehr als ein digitaler Zwilling, denn er sieht voraus, wie das Ziel erreichbar ist, steuert sich bewusst durch seine
Umgebung und erreicht eigenständig Ziele.

Wie können Produktionslinien effektiv an die jeweiligen Anforderungen des Produkts angepasst werden?

Die Verbindung von autonomen mobilen Maschinen-Tools und intelligenten Software-Agenten ermöglicht es, die Produktionslinie automatisiert an die spezifischen Anforderungen des Produkts anzupassen. Die notwendigen Informationen erhalten die
AGVs mit den Maschinen von den zugeordneten Hardwareagenten auf dem Shopfloor und den Agenten für die Bestellung, die an das MES gekoppelt sind. Durch die Intelligenz
des Agentensystems kann die Linie während des Aufbaus für die jeweilige Situation optimiert werden.

In diesem Konzept repräsentiert ein Agent immer exakt eine Komponente des realen Systems. Das kann eine Maschine, ein Werkstück oder ein Auftrag sein. Um mit einem solchen System eine ganze Produktionshalle unterstützen zu können, bedarf es allerdings vieler Agenten, die untereinander kommunizieren und kooperieren. Mit diesem Ansatz entsteht ein dezentrales Multiagentensystem (MAS), dass das gesamte Produktionskonzept unterstützt.

Damit das MAS seine Aufgaben auf der realen Komponente umsetzen kann, benötigt es:

• eine Verbindung zur Umwelt über
Sensoren und Aktoren,
• eine Verbindung untereinander über
ein beliebiges Kommunikationsprotokoll und
• die Algorithmen zur Zielfindung.

Flexibilität und Geschwindigkeit durch Agentensysteme

Inzwischen gibt es Ansätze, den kompletten Linienaufbau mithilfe eines MAS automatisiert an das Produkt anzupassen. In diesen Systemen steuern die Agenten den Linienaufbau durch AGV1-basierte Maschinen, die je nach Bedarf gekoppelt werden und verschiedene Produktions- und Prozessschritte ausführen können. Dabei ist die Steuerung
nicht mehr zentral, sondern dezentral durch die intelligenten Agenten am Shopfloor abgebildet. Dies löst die zentrale Hierarchie der Fertigungsstraße auf und führt zu einer Heterarchie von verschiedenen gleichwertigen Software-Agenten und Hardware. Die dabei entstehenden flexiblen und unabhängigen Hardwaremodule sind vielfältig einsetzbar und das autonome dezentrale System ist zusätzlich noch RAMI-4.02-konform.

KI zur Zielfindung des Agenten

Viele Geräte des Alltags kommen schon jetzt nicht mehr ohne künstliche Intelligenz (KI) aus: Von Sprachassistenten wie Alexa und Siri bis zum autonomen Fahren – überall
kommt KI zum Einsatz. Dies ermöglicht eine beständige Anpassung an die Umwelt, auch in Hinblick auf die Auslieferung an den Kunden. Im Maschinenbau kommt KI meist im
Rahmen von Machine Learning zum Einsatz, um entweder Maschinenzustände im Voraus zu berechnen oder im Rahmen des Fertigungsprozesses Muster zu erkennen. Darauf
beruhen beispielsweise das Prinzip des Predictive Maintenance, d. h. eine vorausschauende Instandhaltung, um Maschinenausfälle frühzeitig zu erkennen, und die automatische Qualitätskontrolle durch Bildauswertungen.

Im oben skizzierten Umfeld kommt KI eine neue Aufgabe zu: Da sie den produktgesteuerten Aufbau der Produktionslinie optimieren soll, muss sie zum einen die beste Raumnutzung auf dem Shopfloor ermitteln, um möglichst viele Produktionslinien gleichzeitig betreiben zu können. Weiterhin muss sie aber auch die Jobplanung unter Berücksichtigung der Raumnutzung durchführen, um Liefertermine und weitere Vorgaben
der Produktion einhalten zu können. Für beide Anforderungen kann die KI trainiert werden. Denn über das MAS erhält sie immer den aktuellen Stand der Umwelt und die geplanten
Ziele, worauf die KI mit der Vorhersage der Produktion reagieren kann.

Dieses Wissen nutzt die KI, um dem Agenten in der Produktionslinie den aktuell besten Weg zur Zielerreichung vorzuschlagen. Je nach Aufgabe des Agenten kann dies der Linienaufbau, die Bearbeitung im Prozess, das Scheduling oder jede andere Aufgabe sein.
Der Vorteil dieses Gesamtsystems beruht darauf, dass viele Schritte automatisiert durchgeführt werden, ohne dass manuelle Eingriffe in die Produktionsplanung notwendig wären. Die Transparenz der Fertigung und auch die manuelle Eingriffsmöglichkeit bleiben aber erhalten.

Fazit

Aus vielen Forschungsberichten und Umfragen ergibt sich, dass Anlagendaten und deren Verarbeitung eine immer wichtigere Rolle in der Wertschöpfungskette spielen. Für den
autonomen Aufbau der Produktionslinien werden diese Daten bislang aber kaum verwendet. Software-Agenten könnten hier eine wichtige Ergänzung sein, um auf diese Daten zuzugreifen und effizientere Produktionskonzepte auf eine neue Art zu unterstützen.

Jeder innovative Maschinenbauer sollte sich schon jetzt dieser Herausforderung stellen und sich die neuen Möglichkeiten zunutze machen, um seine
Marktposition nachhaltig zu stärken.

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