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Testing im Wandel: Wie wir uns vom Rollenbild der Tester verabschieden

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Autor: Pascal Stiefel

Egal auf welche Weise und in welchem Tempo – Unternehmen waren schon immer im Wandel. Es ist jedoch ein Novum, mit welcher Geschwindigkeit sich Produkte und Dienstleistungen verändern. In der Software-Entwicklung waren halb- oder vierteljährige Softwarereleases üblich. Heute gehören Auslieferungen auf Wochenbasis zum allgemeinen Repertoire. Klassische Konzepte und Sichtweisen stoßen mitunter an ihre Grenzen und behindern Organisationen auf ihrem Weg, mit dieser Veränderung Schritt zu halten.

Im Zentrum agiler Entwicklungsmethoden stehen immer kürzere Feedback-Zyklen, die es ermöglichen, besser und schneller auf Kundenbedürfnisse zu reagieren und den Backlog danach auszurichten. Eine Chance, die genutzt werden will. Nicht nur die Geschwindigkeit der Veränderung steigt, sondern auch die Menge der Informationen, welche wir über unsere Kunden sowie über unsere eigene Organisation erhalten.

Unternehmen müssen sich insgesamt auf diese neue Situation einstellen und ihre Wertströme dementsprechend ausrichten. Betroffen sind deshalb Organisationen als Ganzes und nicht nur Elemente der Produktentwicklung, wie beispielsweise die Software-Entwicklung. Wettbewerbsvorteile werden dann erst nachhaltig genutzt, wenn es Organisationen geschafft haben, sich laufend zu optimieren.

Aus meiner Berater-Perspektive hat es sich in vielen Kundensituationen bewährt, die folgenden, sich gegenseitig beeinflussenden Ebenen zu berücksichtigen. Nur wenn diese gut aufeinander abgestimmt sind, ist wirklich eine kontinuierliche Weiterentwicklung möglich. Diese eignen sich einerseits als Startpunkt einer Diskussion, sowie als Orientierungshilfe, in der operativen Hektik:

  • Mindset: Haben wir ein gemeinsames Verständnis, was wir erreichen möchten? Worin besteht unser Nutzenbeitrag und wie organisieren wir uns?
  • Skillset: Verfügen wir über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten?
  • Toolset: Haben wir Hilfsmittel, die uns bei der Erreichung unserer Ziele optimal unterstützen?

Die Rolle des Testmanagers und Testers im Wandel

Testing hat sich in den letzten Jahren als oft vernachlässigte Disziplin aus dem Schattendasein in der Projektorganisation etabliert und es geschafft, eine ganze Berufsgruppe hervorzubringen, die sich dadurch stark professionalisieren konnte.

Vorgehensweisen und Ausbildungen haben sich mehrheitlich entlang bestehender sequenzieller Projektmethoden orientiert: Anforderungen werden eingesammelt, geordnet und mit einer passenden Teststrategie auf deren Erfüllung geprüft. Oft spät involviert, sind Testmanager geübt darin, Lieferverspätungen und immer kürzere Testzeiten geschickt zu optimieren und mit dedizierten Testern Testfälle durchzuführen. Der Trend zu immer agileren Entwicklungsmethoden stellt heute Anforderungen an das Testing, welche weit flexibler sein müssen als der fundamentale Testprozess. Dieser wird zwar nicht obsolet, die Prioritäten verschieben sich aber wie folgt:

  • Die planerische Perspektive verringert sich deutlich, da alle Testaktivitäten in viel kürzeren Zyklen durchgeführt werden.
  • Teststrategische Überlegungen verlagern sich stärker ins Team und werden laufend an den Umfang der laufenden Entwicklung angepasst.
  • Die teils extrem kurzen Zyklen stellen sehr hohe Anforderungen an das gesamte Team.
  • Ein gemeinsames Qualitätsverständnis ist zu definieren mit der Motivation, als Team hohe Qualität zu liefern.
  • Automation ist ein Muss! Nicht nur im Testing ist die Automation das Schlüsselelement, den Innovationsgrad einer Entwicklung nicht auf Dauer zu gefährden.

Diese und weitere Aspekte zeigen zudem auf, dass das klassische Rollenverständnis nicht mehr so stark zu gewichten ist. Viel mehr zählen die Fähigkeiten der einzelnen Teammitglieder und ein optimaler Mix. Verschiedene Berufsbilder sahen sich bereits jüngst der Kritik ausgesetzt, nicht mehr in eine agile Projektorganisation zu passen. Auf das Testing bezogen kann man sicherlich festhalten, dass sich der Bedarf an der Rolle Testmanager, die vor allem die planerische Dimension eines Projekts bedient, deutlich sinken wird in naher Zukunft.

Eine Aussage, die sicherlich eine Unsicherheit in Bezug auf das Rollenverständnis der bekannten Rollen Testmanager und Tester aufwirft. Wenn man den Fokus stärker auf die benötigten Fähigkeiten setzt, relativieren sich aber viele der Befürchtungen.

Abb.1: Paradigmenwechsel durch Erweiterung des Testing-Spektrums

Chancen und Lösungsansätze

Die oben erwähnte Verlagerung von einem Rollen- zum Fähigkeitsverständnis ist im Grundsatz eine Riesenchance für das gesamte Team, da das Aufgabenspektrum viel größer wird und sich der Handlungsspielraum somit deutlich erweitert. Eine Herausforderung bleibt das gemeinsame Verständnis eines Teams oder einer Organisation, welche Fähigkeiten durch welche Personen/ Gruppen abgedeckt werden. Diese Diskussion erfordert echte Leadership-Fähigkeiten und kann nicht durch Prozessrichtlinien ersetzt werden. Aus der Testing-Perspektive bieten sich wie nachfolgend beschrieben eine Vielzahl von Themen, welche Teams für sich priorisieren können:

Paradigmenwechsel im Testing

Löst man sich vom Paradigma, Testing lediglich als reaktive, risikominimierende Maßnahme zu sehen, offenbart sich ein ganzer Blumenstrauß von Maßnahmen, die einen großen Einfluss auf eine erfolgreiche Produktentwicklung haben.

Stellt man den Kernnutzen des Testings wieder stärker ins Betrachtungszentrum, fällt es Teams oft leichter, aus dem gesamten Spektrum qualitätssichernder Maßnahmen zu schöpfen. Die Nähe eines agilen Teams ist ein unglaublich fruchtbarer Boden für diesen Ansatz. 

Konkrete Beispiele dafür sind:

  • Bereits durch eine testgetriebene Produkt-Evolution wird der Erfolg eines Vorhabens in einer sehr frühen Phase sichergestellt. Kurze Feedback-Zyklen und die Definition von Anforderungen über Tests, Experimente und Akzeptanzkriterien unterstützen die Validierung von:
    • Business Ideen und den zugrundeliegenden Annahmen;
    • die eigentlichen Qualitätsmerkmale einer Lösung.
  • Die Anreicherung von Akzeptanzkriterien und der Fragestellung, wie eine Story abgenommen werden kann, ermöglichen ein besseres gemeinsames Verständnis des vollen Umfangs einer Anforderung.
  • Die Diskussion über zu erfüllende Qualitätsmerkmale deckt implizite Erwartungshaltungen frühzeitig auf und liefert wertvollen Input für das Testvorgehen.

Lernende Teststrategie

Testkonzeptionelle Überlegungen müssen für jede Iteration isoliert betrachtet werden und zudem auch immer die evolutionäre Entwicklung des Produkts berücksichtigen. Abhängig vom neuen und bestehenden Umfang einer Lösung. Tester können neben ihrer eigenen Erfahrung vermehrt auf die Unterstützung des gesamten Teams bauen. Insbesondere, wenn der Nutzen der Testaktivitäten auch kritisch hinterfragt wird. Feedback aus der produktiven Nutzung und regelmäßige Retrospektiven sind die idealen Inputgeber, sein teststrategisches Repertoire laufend auszubauen und situationsgerecht einzusetzen. Diese kontextbezogene Auseinandersetzung mit den eigenen Testing-Fähigkeiten nenne ich gerne ganz methodenagnostisch „intelligentes Testen“. 

Automation

Die iterative Produktentwicklung erhöht Funktionsumfang und Komplexität einer Lösung mit jedem Durchlauf. Die Geschwindigkeit mit der „Innovation“ geschaffen wird, hängt stark davon ab, wie man mit der Vermeidung einer Vielfalt technischer Schulden umgeht. Nicht automatisierte Regressionstests kann man als eine Art Testing-Schulden bezeichnen, welche den Innovationsgrad enorm einschränken können. Dabei gilt es neben einer laufenden Priorisierung der Regressionstests, basierend auf deren Nutzenbeitrag, insbesondere den Wartungsaufwand gering zu halten. Die Grundlage einer solchen nachhaltigen Automation bildet das Skillset des Teams. Die Investition in entsprechendes Know-how zahlt sich in jedem Fall aus.

Testing & Coding

Dass die Grenzen alter Rollenbilder verschwinden und das Fähigkeitsspektrum viel stärker zu gewichten ist, klingt nach einem einfachen Konzept. Doch immer, wenn Menschen mit Veränderungen konfrontiert sind, gestaltet sich der Wandel oft schwieriger als gedacht. Aus der Warte eines Testers gilt es nicht nur, selber bereit für Neues zu sein, sondern das gesamte Team als „Enabler“ einzuladen, das Thema Software-Qualität gemeinsam zu diskutieren.

Oft helfen kleine Veränderungen des eigenen Wortschatzes, diesem Ziel näher zu kommen. Wieso nicht die Spalte „in Entwicklung“ des Teamboards in „Testing & Coding“ umbenennen? Ein weiteres mächtiges Instrument, verschiedene Disziplinen näher zusammenzubringen, ist „Pairing“ – also die gemeinsame Arbeit an einem Thema über eine gewisse Zeit.

Die Erweiterung der Perspektiven gepaart mit dem Know-how-Transfer rechtfertigt die Investition in den meisten Fällen. Abschließend kann gesagt werden, dass das Testing mit Sicherheit noch an Attraktivität zulegen wird und thematisch an Wichtigkeit gewinnt. Es sind alle eingeladen diesen Wandel mitzugestalten – unabhängig vom Rollenverständnis.

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